Jenseit des Tweed
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Kapitel 15
Loch Katrine oder Das Land der "Lady of the Lake"
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Jakob V. war König, die Macht des Adels gebrochen und jedes Mitglied der Familie Douglas bei Todesstrafe verbannt. Nur einzelne der Hochlands-Clane, pochend auf die Sicherheit ihrer schwer zugänglichen Täler, waren noch unbezwungen und machten ihre Stellung zum Hofe von ihrem Willen abhängig. Zu diesen Clans, die noch ein selbständiges Leben für sich in Anspruch nahmen, gehörten auch die MacGregors, die in den Tälern und Schluchten zwischen dem Loch Katrine und Loch Lomond wohnten.
Loch Vennachar bezeichnete nach Südost hin den am weitesten vorgeschobenen Punkt ihres Gebiets.
 
Landrick Height, am Nordufer desselben Sees, diente als Sammelplatz des Clans, wenn es Angriff oder Verteidigung galt.
 
Die letzte Zufluchtsstätte des Clans aber, wenn selbst der Paß der Trossachs nicht länger Hilfe zu leisten vermochte, bildete eine Insel im Loch Katrine, jenes kleine Eiland am Südostende desselben, das den Namen Ellen-Island führt. Mehr denn einmal zog sich ein geächteter Häuptling der MacGregors, in die Einsamkeit dieser Insel zurück.
Jagdeifer führte den König Jakob (der in der Dichtung als Ritter Fitzjames auftritt), seinen Gefährten weit voraus, in das Wald- und Bergrevier der MacGregors. Die Trossachs hindurch verfolgte er die Spur eines prächtigen Hirsches, bis sein überbürdetes Roß zusammenbrach. Der König stieß ins Horn, um seine Gefährten herbeizurufen, aber vergeblich. Die Töne waren auf Ellen-Eiland vernommen und als die Klänge eines heimkehrenden Freundes gedeutet worden, und als der König die Südspitze des schönen Sees vor sich sah, gewahrte er einen leichten Kahn, der von der Insel kam.

Auf dem Kahne stand ein Mädchen und führte das Ruder mit Kraft und Geschick. Schon glitt der Kahn in die schmale Bucht, als das Mädchen, plötzlich einen Fremden gewahrend, mit Geistesgegenwart wieder weit hinaus auf den See schoß. Jetzt begann ein Gespräch zwischen dem Könige und dem Mädchen; eine Unterredung, die alsbald dahin führte, daß der König ins Boot stieg und als ein Verirrter und Hülfebedürftiger nach Ellen-Eiland hinübergerudert wurde. Auf duftigem Heidekraut wurde dem Könige das Lager gemacht, der am andern Morgen, unerkannt, aber bezaubert von der Insel und vor allem von dem Reiz und der Schönheit des Mädchens, die Insel verließ.


Dieses Mädchen war Ellen Douglas. Roderick Dhu, das Haupt der MacGregors hatte den Verbannten und seine Tochter Ellen aufgenommen. An demselben Morgen kehrten Roderick Dhu und der alte Douglas heim. Roderick Dhu hatte von dem Zuge des Königs gehört und deutete ihn nicht als einen bloßen Jagdzug. Roderick Dhu rief die MacGregors auf Landrick Height zusammen.

Der König, der nichts ahnte von dem Ungewitter, das sich gegen ihn zusammenzog, war inzwischen nach Stirling zurückgekehrt, voll Sehnsucht nach dem schönen Mädchen. Er ritt aufs neue in das Schluchtenland, um das Mädchen vom See zu sehen und zu ersiegen. Er fand Ellen, aber er fand sie nicht geneigt, seinen Bitten Gehör zu geben. Im Moment der Trennung warnte sie den König vor der ihm drohenden Gefahr.

Es mochte Mitternacht sein, als er in die Nähe von Loch Achray kam und plötzlich ein Wachfeuer sah, woran ein Hochländer lag. Er kannte die Hochlandssitte, und pochend auf die Unverletzlichkeit des Gastrechtes, ließ er sich am Feuer nieder. Der Hochländer nahm Haferbrot und Rauchfleisch und teilte, was er hatte. Die beiden Feinde schliefen ruhig beieinander, bis die Morgensonne sie weckte.
"Das Land ist von den Unsern besetzt, nirgends ein Ausweg für dich, es sei denn, ich führte dich bis Coilantogle-Ford; da beginnt Euer sächsisch Land, da magst du frei deines Weges ziehen." Bald schweigend, bald plaudernd schritten sie vorwärts. Der Hochländer sprach viel von dem alten Rechte der MacGregors. Der König aber blieb dabei, daß die MacGregors ein räuberisches Gesindel seien.
"Hier ist Coilantogle-Ford", sagte der Hochländer, "dies ist sächsisch Land, und ich bin - Roderick Dhu. Du stehst auf deinem Boden, und die heilige Hand des Gastrechts hält mich nicht länger. Zieh! und laß uns sehen, wo bessere Männer wachsen." Roderick Dhu war der Stärkere, aber schlecht gewahrt gegen die Zauberkünste einer gut geführten Klinge. Statt Ellen Douglas, die der König heimzuführen gehofft hatte, lag alsbald der Häuptling der MacGregors als Gefangener auf dem Sattel.
Sei es der Sieg über den stolzen MacGregor, oder seien es die bittenden Augen der schönen Ellen - das Herz des Königs ist zu Milde und Vergebung gestimmt. - Roderick Dhu kehrt heim zu seinem Clan, Malcolm Graham, mit königlicher Huld, führt Ellen zum Altar. Der alte Douglas aber zieht wieder ein in Schloß Stirling.
Das ist das Märchen von der »Jungfrau vom See«. Ellen-Eiland aber ward öd und einsam, das Haus zerfiel, und seine Zauber leben nur fort im Lied und im Herzen des Volkes.
Nach Walter Scotts Gedicht Lady of the Lake komponierte Franz Schubert 1825 einen Liederzyklus. Weltbekannt ist daraus Ellens dritter Gesang.


Turk Brücke. Der Sage nach war der König bei seinem Jagdausflug ab hier von seinen Begleitern getrennt:

 

 

And when the Brigg of Turk was won,

The headmost horseman rode alone.

Walter Scotts "Lady of the Lake"

 
Was aber sind nun die Trossachs? Sie sind ein Paß, eine Schlucht, ein Hohlweg, der sich an einem Flüßchen entlang zwischen den zwei Felsmassen des Ben A'an und Ben Venue hinzieht, die wie Wächter neben dem Loch Katrine stehen und, ihre Häupter in seinem Wasser spiegelnd, ihre breiten Rücken bis zum Loch Achray hin zurückstrecken.
 

Es war die unromantischste Stunde (zwei Uhr nachmittags und alle Mann hungrig), als wir, den Bergpfad herabkommend, hier in das am Ufer liegende Dampfschiff stiegen, das die Fahrten über den See macht. Es heißt hier alles MacGregor: der nacktbeinige Junge, der seine Führerdienste uns aufdringt, die beiden Alten, die unser Gepäck an Bord bringen, und natürlich auch der Steamer selber.

 

Der heutige Steamer heißt SS Sir Walter Scott und ist seit 1900 im Einsatz

 
Aus der schattigen Kühle hervor gleiten wir auf der glitzernden Wasserfläche zwischen den Laubwänden dem eigentlichen Loch Katrine zu. Gleich zu Anfang des Sees, dem rechten Ufer sich nähernd, liegt Ellen-Eiland. Jeder müht sich die Stelle zu erkennen, wo das mit so viel dichterischem Aufwand geschilderte Haus des alten Douglas gestanden haben soll, aber nur Birken und junge Tannen überragen die unwirtbare Fläche.
 

Mit dem Moment, wo wir Ellen-Eiland passiert haben, ist das Interesse an Loch Katrine so ziemlich dahin. Die Fahrt über diesen vielbesungenen See ist wie ein Diner, das mit Champagner beginnt und nach längerem Verweilen bei schlichtem Rotwein endlich mit Zuckerwasser schließt.


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