Jenseit des Tweed
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Kapitel 22
Oban
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Das Caledonian Hotel war besetzt bis unters Dach. Da standen wir mit unsern Reisesäcken ziemlich ratlos und wischten uns den Schweiß von der Stirn. »Let us try it at Mrs. Mackay's, some yards farther down; I know her well, kind people.« Wir fragten nach einem Zimmer und wurden in einem Hinterhause bei einer zimmervermietenden alten Waschfrau untergebracht.

 

Oban selbst zieht sich im Halbkreis an der Bucht entlang; unmittelbar im Rücken seiner weißen Häuser steigen bewaldete Felspartien in die Luft, hier und dort mit Villen geschmückt oder von Schlössern überragt.

 

Was aber dieser Bucht eine besondere Schönheit gibt, das ist nicht der Reiz ihrer Ufer, sondern umgekehrt, der Blick von diesen Ufern aus aufs Meer. Zu der ewigen Schönheit des Ozeans gesellt sich ein besonderer Reichtum von Inseln und Vorgebirgen, daß man zweifelhaft wird, wem denn eigentlich das Terrain gehört, dem Land oder dem Meer, und in den Bühnenraum eines Riesentheaters zu blicken glaubt, dessen weit gedehnte Perspektive durch allerhand Seitenkulissen bis ins Unendliche zu wachsen scheint.

 

Der andere Morgen sah uns bei guter Zeit wieder an Bord eines Hutchesonschen Steamers, der für diesen Tag einen seiner regelmäßigen Ausflüge nach Staffa und Iona vorhatte. Mr. Hutcheson selbst war an Bord, um dem Komfort und Wohlbefinden der Reisenden nach Möglichkeit Vorschub zu leisten.

Wie es kaum eine Übertreibung sein dürfte, Heringsdorf und namentlich Misdroy als mittelbare Schöpfungen der Berlin-Stettiner Eisenbahn anzusehen, so ist das Städtchen Oban eine Schöpfung der Dampfschiffahrtslinien.

 

Die ersten Punkte von Interesse, die wir passieren, sind Dunolly-Castle und Dunstaffnage-Castle, zwei Ruinen in unmittelbarer Nähe von Oban. Die Geschichte, die sich an diese Schlösser knüpft, zeigt, daß diese Küsten nicht immer politisch bedeutungslos waren und trotz einer dünngesäten Bevölkerung mehr denn einmal eingriffen in die Geschicke des Landes. Robert Bruce, zu Anfang des dreizehnten Jahrhunderts, drang bis in diese Gegenden vor, um einen Widerstand zu brechen, der zu ernst war, um ihn unberücksichtigt zu lassen, und noch drei Jahrhunderte später hausten hier die Soldaten Cromwells.

 

Dunstaffnage-Castle ist von größerer Bedeutung. Hier befand sich ursprünglich der schottische Krönungsstein, der später nach Scone und von dort aus nach der Westminsterabtei geschafft wurde. Über den Ursprung dieses Steins existieren noch allerhand Legenden. Jakob (der Sohn Isaaks) sollte darauf geschlafen und seinen Traum von der Himmelsleiter gehabt haben. Jetzt weiß man, daß das vorgebliche Kopfkissen aus demselben Kalkstein besteht, den die nachbarlichen Felsen von Dunstaffnage-Castle aufweisen, und daß guter Grund vorliegt, den Königsstein als echt schottisches Landesprodukt anzusehen.

 

Häuptlinge hausten hier, die Bündnisse mit fremden Mächten schlossen, als sei dieses westliche Inselreich ein Reich wie Schottland selbst, und inmitten aller Roheit trieb das Leben hier Blüten, nach denen man jetzt vergeblich die kahlen Inselgruppen durchsuchen würde. Der Kreislauf des Bluts geht jetzt durch enger gezogene Kreise, alles drängt den großen Städten, den fruchtbaren Ebenen zu, und die Extremitäten werden blutlos und sterben ab.

 

Was von den Küsten Morvens gilt, gilt nicht minder von der Insel Mull, die sich baum- und strauchlos, nur selten durch eine Kastellruine unterbrochen, zu unserer Linken entlangzieht. Dann aber umfahren wir rasch die Nordspitze der Insel, und nunmehr den Ozean vor uns, nehmen wir unsern Kurs in südwestlicher Richtung, jenen gleich unscheinbaren und doch gleich berühmten Inseln zu, Staffa und Iona.

 

Duart Castle


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