Jenseit des Tweed |
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Kapitel 3 |
Holyrood-Palace |
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Dieser
so berühmt gewordene Palast liegt unmittelbar vor der Stadt
in einem weiten Talkessel, der von verschiedenen Hügeln, vom
Calton-Hill
im Norden, von den Salisbury-Craigs
im Osten und Süden und von dem hochgelegenen Alt-Edinburg im
Westen gebildet wird. Da, wo die letzten Häuser von Canongate
ins Tal hinuntersteigen, erhebt sich, die vor ihm liegende Hügelstraße
hinauf blickend, der Palast
von Holyrood. |
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Lange
bevor es einen Holyrood-Palace gab, gab es eine Holyrood-Abtei.
David
I. von Schottland, der fromme Gründer der Abteien von Melrose
und Kelso,
gründete auch diese Abtei von Holyrood (um 1150), und erst
350 Jahre später begannen neben derselben sich jene schlichten
Mauern und Türmchen zu erheben, die in ihrer damaligen äußerst
begrenzten Ausdehnung kaum den Namen eines Palastes beanspruchen
konnten. Es war ein Schwalbennest, das sich, wie Schutz suchend,
an die stattliche, alte Abtei anklebte. Seitdem ist diese zu einer
Ruine geworden, während der Palast ihr mit der Hälfte
ihres Raumes zugleich das Ganze ihres Ruhmes genommen hat. Die Abtei
hat längst aufgehört, eine Pilgerstätte zu sein,
der Palast ist es geworden. |
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Die
ganze Berühmtheit dieses Ortes knüpft sich an jenen baufälligen
alten Nordwestturm, der der Zeuge jener Ermordung war. Diesem Nordwestturm
gilt jetzt unser Besuch. Die Räumlichkeiten dieses Turmes liegen
in drei Etagen: Hochparterre die Zimmer Darnleys
und eine Gemäldegalerie; eine Treppe hoch die Zimmer Maria
Stuarts; zwei Treppen hoch niedrige Zimmerchen, in denen einige
Damen vom Haushalt der Königin (vielleicht die sogenannten
»vier
Marien«) gewohnt haben mögen. |
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Das
erste, was wir in Augenschein nehmen, ist die Gemäldegalerie.
Diese ist ein Unikum, und ein heiteres Gegengewicht gegen die Schrecknisse
dieses Ortes. Sie enthält 110 Porträts der schottischen
Könige von Fergus
I. bis auf Karl
Stuart. Der Künstler, hieß Jakob de Witt. Sehr komisch
ist die Kostüm- und Familienähnlichkeit aller, so daß
es niemandem auffallen würde, wenn man die Nummern durcheinander
werfen und die Namen hinterher durch Los bestimmen wollte! Englische
Dragoner
zerhieben während des Stuart
Aufstandes (1745) ein Dutzend dieser Porträts; das aber
muß überraschen, daß man sich hinterher die Mühe
gegeben hat, diese zersäbelten Kunstschätze wieder zu
restaurieren. |
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Wir treten nunmehr in
den supping-room ein. Hier empfing Rizzio
die ersten Dolchstiche. Was den Eintretenden mit ganz besondrem
Schauer erfaßt, das ist die überraschende Kleinheit
und Enge dieses Gemachs. Es ist nur zehn Fuß lang und neun
Fuß breit. Man war hier auf Dolche angewiesen.
In diesem Zimmer befanden
sich am Abend des 9. März 1565 sieben Personen: Maria Stuart;
ihr Halbbruder Lord
Robert Stuart; Arthur Erskine, Hauptmann von der Garde; ein
Kammerherr; eine Hofdame; die Gräfin von Argyle und Rizzio.
Zuerst erschien Darnley, setzte sich neben die Königin und
schlang seinen Arm um ihren Leib, um sie nach Möglichkeit
auf ihrem Sitze festzuhalten. Dann trat Lord
Ruthven ein, hager, blaß, todkrank, das Haupt unbedeckt,
aber sein Leib in Eisen gekleidet; mit ihm kamen Kerr von Falkonside
und George Douglas; Bewaffnete und Fackelträger schlossen
den Ausgang. "Es gilt nicht Euch, hohe Frau", rief Ruthven,
"nur jenem Schuft da." Rizzio sprang auf und barg sich
hinter der Königin. Es war jetzt unmöglich ihn zu treffen.
"Gebt ihn heraus!" schrie Kerr von Falkonside und legte
sein Pistol auf die Königin an. Die geängstigte, aber
entschlossene Frau folgte ihm mit den Augen. Diesen Moment benutzte
Douglas; über die Schulter der Königin hinweg traf er
jetzt den dahinter geborgenen Sänger. Rizzio sank zusammen;
man zog ihn hervor, zerrte ihn durch das Schlaf- und Audienzzimmer;
draußen an der Treppenstufe ließ man ihn liegen. Sechsundfunfzig
Dolchstiche hatten ihr Werk getan.
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