Jenseit des Tweed |
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Kapitel 23 |
Staffa |
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23 mit Google Earth ansehen |
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Es
war um die Mittagsstunde, und die Sonne lag leuchtend auf dem
wenig bewegten Ozean, als es auf Deck hieß: »Staffa
in Sicht«, und eine Viertelstunde später unser Steamer
beilegte, um die Boote auszusetzen. Staffa nämlich, wie alle
diese Felseninseln, hat keinen Landungsplatz, und alle Schiffe,
die Fahrten nach diesen Eilanden hin unternehmen, sind um der
Brandung willen gezwungen, in ehrfurchtsvoller Entfernung Anker
zu werfen. |
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Auf
der Fahrt vom Schiff aus bis ans Ufer hatten wir Zeit vollauf, uns
die Form und Struktur der Insel einzuprägen. Staffa (Stab-Eiland)
ist klein, von nichts weniger als frappanter Erscheinung und gleicht
einer alten, eisenbeschlagenen Truhe, deren Schätze erst sichtbar
werden, wenn man den Deckel aufschlägt. Dieser Unscheinbarkeit
der Insel muß man es zuschreiben, daß dieselbe erst
1772 für die Welt entdeckt wurde; bis dahin war sie nur den
Schiffersleuten der benachbarten Eilande bekannt gewesen. |
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Staffa
ist kaum eine Viertelmeile lang, etwa 500 Schritt breit und 150
Fuß hoch. Das gibt eine Felsmasse, die auf der weiten Fläche
des Ozeans so bescheiden daliegt wie ein Feldstein auf einem Ackerfeld,
und wenn die Wellen an einem Sturmtage hoch gehen, muß Staffa
kaum zu sehen sein. Als wir uns näherten, erkannten wir deutlich
die drei Schichten, aus denen es sich aufbaut. Tuffstein,
der die Fläche des Ozeans wenig überragt, bildet das Fundament;
auf demselben erheben sich die sechzig Fuß hohen Basaltsäulen,
die dann wiederum eine formlose Felsmasse als kompaktes Dach und
auf demselben eine dünne Erdschicht tragen. |
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Die
Westinseln Schottlands weisen überall fast so großartige
Basaltformationen auf, daß das Auge des Reisenden schnell
die höchsten Ansprüche zu machen beginnt und ein besonderes
Maß an Schönheit verlangt. Diese Schönheit besitzt
Staffa, aber nicht nach außen hin; es verbirgt sie in seinem
Innern.
Wir sprangen
also ans Ufer und sahen von einer Seitwärtsstellung aus durch
das Portal hindurch in die Fingalshöhle
hinein. Die Bündelbeschaffenheit des Basalts hat dieser 230
Fuß tiefen Aushöhlung ihre Apartheit und ihre Schönheit
gegeben.
Diese
Höhle zu beschreiben, wird jederzeit große Schwierigkeiten
haben; nichtsdestoweniger sei es versucht. Bevor ich beginne,
rufe ich dem Leser die Naturbeschaffenheit Staffas und den Unterwühlungsprozeß
ins Gedächtnis zurück, den unmittelbar nach Bildung
der Insel selbst der Ozean mit ihr begonnen und bis diese Stunde
fortgesetzt hat.
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Staffa,
als Gott Vulkan
sein Werk getan und zehn- oder hunderttausend Basaltsäulen
an dieser Stelle ans Licht geschickt hatte, stand da wie ein festgeschnürtes
Bündel steinerner Tannen. Der Ozean, der hier von Anbeginn
der Tage sein Wesen getrieben und absolut geherrscht hatte, erzürnte
über den Sendling aus der Unterwelt und begann mit überlegener
Macht an ihm herumzuschlagen. Ganze und halbe Stücke wurden
abgerissen und herausgespült, und so entstanden, je nach dem
Grad und der Art der Zerstörung, jene Damm- und Höhlenformationen,
die dieser Insel eigentümlich sind. |
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Da
wo es den Wellen glückte, die steinernen Bündel in ihrer
ganzen Höhe abzubrechen und Säule, Dach- und Erdwerk,
alles in die Tiefe des Ozeans zu werfen, stehen wie in einem Walde,
in dem der Orkan gehaust hat, nur noch basaltene Stümpfe da
und bilden ein steinernes Parkett, ein Lütticher Pflaster,
wie es an Struktur und Festigkeit kein zweites gibt. |
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Ich schreite nun zur
Beschreibung der Höhle selbst, die nach diesem Versuch
einer populären Geognosie
mir leichter werden wird. Ich habe nicht unabsichtlich den Eingang
ein Portal genannt. Er ist in der Tat ein solches, ein Spitzbogentor,
und dahinter das wunderbare Schiff einer gotischen
Kirche. Wer London und die Westminsterabtei
kennt, den wird der gotisch-phantastische Bau, den die Natur
hier gebildet hat, immer wieder an die Kapelle
Heinrichs VII. erinnern.
Der Basalt lieferte
die Säulen, die freilich in ihrer Ineinandergefugtheit
mehr den Eindruck einer Wandfläche als eines Pfeiler- oder
Säulenganges machen würden, wenn nicht die Wellen,
mit einer bewundernswerten Regelmäßigkeit, Nische
neben Nische in der Basaltwand ausgehöhlt hätten.
Dadurch ist, wenigstens scheinbar, eine Pfeilerreihe entstanden,
indem alle konkaven Vertiefungen wie in einem dunklen Hintergrunde
liegen, während die lichtbeschienenen Ecken, wie selbständig
und losgelöst, sich pfeilerartig in den Vordergrund stellen.
Auf diesen Pseudopfeilern ruht nun die Decke.
Diese Decke, gotisch
gewölbt in ihrer Grundanlage, ist es vor allem, was sofort
mit einer nicht abzuweisenden Gewalt das Bild der berühmten
Tudorkapelle vor das Auge des Beschauers ruft. Die Laune eines
Künstlers und die Laune der Natur sind denselben Weg gegangen.
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Die
wenigen Minuten, die uns noch blieben, reichten aus, um den Bergrücken
der Insel zu erklettern. Die Aussicht bot nichts Besonderes. Kümmerliches
Gras bedeckte die dünne Erdschicht, die auf dem Basaltfelsen
lag. Die einzige Blume, die hier gedieh, war ein dürres,
rötliches Maßlieb,
das in langen Büscheln überall an den Abhängen
hing, als gefiele es sich darin, von dem Seewinde, der hier niemals
schweigt, zerzaust zu werden. Wir pflückten uns ein paar
dieser Blumen; dann klang vom Schiff her die Glocke herüber,
und wenige Minuten später stießen unsere Boote von
dem basaltenen Molo des Wundereilands ab. Einige Enthusiasten
schwenkten die Tücher. – Staffa lag hinter uns. |
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